Page 7 - Langenthaler Zeitung - KW 12 - 2023
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DIENSTAG, 21. MÄRZ 2023 SEITE 7
«Wir müssen uns dem gesellschaftlichen Wandel stellen»
Daniel Imboden, CEO Stif- junge Menschen fassbarer wer- wir uns dort einsetzen, wo wir
tung Heilsarme bringt fri- den. Die Heilsarmee ist eine gebraucht werden. Momentan
schen Wind in die Heilsarmee sehr interessante und vielsei- erleben wir im Bereich «hou-
Schweiz. Dabei führt er sei- tige Arbeitgeberin. Das ist vie- sing first» eine steigende Nach-
nen Posten als Chef mit viel len noch zu wenig bekannt. Das frage. Hier sind wir bereit stär-
Demut und Herzblut für die wollen wir ändern. ker zu investieren. Zweitens
Menschen am Rande der Ge- wollen wir in den Bereichen
sellschaft. Er gibt Einblick Hingegen global betrachtet, wachsen, wo wir als Partner an-
in das vielfältige Wirken der wächst die Heilsarmee. Wieso erkannt und geschätzt werden
Heilsarmee im Namen Gottes, denn das? und wo unsere Kernkompeten-
nächste Pläne und Projekte Die Heilsarmee wächst vor al- zen liegen: Im Bereich Wohnen,
sowie mögliche Wachstums- lem in Afrika und Indien un- Wohnbegleitung, Obdachlo-
strategien. glaublich. Das hat damit zu tun, sigkeit und in niederschwelli-
dass die hierarchische Struktur, gen Hilfsangeboten. Natürlich
Sie haben Ihr Berufsleben der die Uniformen und die Symbo- wünschte ich mir auch Wachs-
Heilsarme verschrieben und lik in diese Regionen grossen tum im kirchlichen Bereich,
haben nun die Leitung der Anklang finden. Andererseits aber dieser Bereich macht vom
Heilsarmee in der Schweiz arbeitet die Heilsarmee dort im Umsatz her weniger aus. Eben-
inne. Was bedeutet für Sie die- niederschwelligen Bereich, in falls kann ich mir ein Wachstum
ses Amt? der Nahrungsmittelversorgung, des Bereichs Brocki vorstellen,
Daniel Imboden: Ich bin Heils- in der Bildung und im Gesund- sei es Neueröffnungen oder An-
armeeoffizier und diene Gott heitswesen sehr gut und kann gebotserweiterungen.
in der Heilsarmee mit meinen dabei von ihren internationalen
Fähigkeiten und Erfahrungen. Bilder: zVg Beziehungen profitieren. Wie steht es mit den Spenden
Dass ich nun CEO der Stiftung Zahlen belegen, dass die Armut in den letzten 10 Jahren gestiegen ist. und wie wollen Sie diese künf-
Heilsarmee bin, ist ein Privileg tig steigern?
und zugleich eine grosse Heraus- der sozialen Angebote, die wir erwartet. Offenbar hat die Pan- Mit der aktuellen Spendensitu-
forderung. Aber ich empfinde anfangs selbst aufgebaut und demie die finanzielle Solidarität ation sind wir sehr zufrieden.
diese Aufgabe nicht wichtiger finanziert haben, von den 13 nicht beeinträchtigt. Die Spenden sind auf hohem
als das, was meine Kolleginnen Kantonen, in welchen wir arbei- Niveau stabil, interessanter-
und Kollegen täglich in ihren ten, finanziell unterstützt. Das Gibt es momentan mehr arme, weise auch durch die Pandemie
Kirchgemeinden, Heimen oder zeigt: Die Heilsarmee ist ein bedürftige Menschen in der hindurch. Hier besteht die He-
auf der Strasse leisten. verantwortungsbewusster und Schweiz als noch vor ein paar rausforderung, junge Menschen
vertrauenswürdiger Akteur und Jahren? als Spenderinnen und Spender
Wofür steht die Institution aus unserem Sozialsystem gar Zahlen belegen, dass die Armut zu gewinnen, weil wir bei der
Heilsarmee in der Schweizer nicht mehr wegzudenken. in den letzten 10 Jahren gestie- jüngeren Generation weniger
Gesellschaft? gen ist. Im Jahr 2019 waren laut bekannt sind.
Die Heilsarmee steht in der Was sind die Kerngebiete der Bundesamt für Statistik neun
Schweiz für einen tatkräftigen Heilsarmee? Prozent der Schweizer Bevölke- Sie möchten nach der
und überzeugten Glauben und Neben unseren kirchlichen An- rung von Armut betroffen. Wir Schrumpfkur wieder wachsen.
für unbürokratische und prag- geboten, die wir in unseren 53 stellen fest, dass aber nicht nur Welche Pläne verfolgen Sie da?
matische Hilfe an Randständige Kirchgemeinden für alle Alters- die Armut steigt, sondern dass Wachstum sehen wir vor allem
und Bedürftige. Für mich sollte gruppen betreiben, fokussieren auch Ungleichheit und Isolation in den Bereichen Sozialwerk
die Heilsarmee in der Schweiz wir mit unseren sozialen An- grösser werden. Dazu haben die Bescheiden und demütig – Daniel Im- und Brocki, aber auch im Kirch-
für Hoffnung und Zuverlässig- geboten auf die Bereiche Woh- Pandemie und die Krisen der boden, Chef der Heilsarmee Schweiz: lichen Angebot. Zurzeit sind wir
keit stehen – wir sind da, wenn nen und Wohnbegleitung für letzten Monate das Armutspro- «Momentan erleben wir im Bereich daran, in diesen Bereichen eine
man uns braucht, und wir glau- psychisch und physisch beein- blem noch stärker zu Tage tre- «housing first» eine steigende Nach- Strategie für die nächsten Jahre
ben an positive Veränderung. trächtigte Personen. Wichtig ten lassen. frage. Hier sind wir bereit stärker zu auszuarbeiten. Wir werden uns
sind auch die 20 Brockis, die investieren.» in den zukünftigen Bemühun-
Was sind bis jetzt die grössten nicht nur ein Einkaufserlebnis Bei der Heilsarmee in Europa gen klar daran orientieren.
Errungenschaften der Heilsar- bieten, sondern auch zur Nach- besteht ein Nachwuchsprob- Die Heilsarme hat mit weniger
mee? haltigkeit beitragen. lem. Wie wollen Sie das regeln? Mitgliedern, Umsatzeinbussen Welche Projekte stehen weiter
Als die Heilsarmee vor 140 Jah- Wir müssen uns dem gesell- und einem reduzierten Perso- für dieses Jahr an?
ren in Genf ihre Arbeit begann, Welche Spuren hat die Pande- schaftlichen Wandel stellen. nalbestand ein paar schwierige Neben der bereits erwähnten
wurde sie bekämpft, beschimpft mie in der Heilsarmee hinter- Wenn es uns zum Beispiel ge- Jahre hinter sich. Wie wollen Strategieentwicklung sind die-
und verboten. Dass wir heute lassen? lingt, neue Modelle der Mit- Sie die verlorenen Umsatzfran- ses Jahr noch einige digitale
eine anerkannte und geschätzte Die Pandemie hat vor allem in gliedschaft und der Mitarbeit ken zurückholen? Projekte geplant. Zudem arbei-
Freikirche und der grösste pri- unseren Kirchgemeinden Spu- zu schaffen, können wir da- Wir haben vor allem im Be- ten wir intern weiterhin an
vate Anbieter sozialer Dienst- ren hinterlassen, es besuchen mit unser Einzugsgebiet erwei- reich der Flüchtlingshilfe Um- unserer Wirksamkeit und Effi-
leistungen in der Schweiz sind, rund 30 Prozent weniger Leute tern. Und wenn wir uns auf die satz eingebüsst, weil wir einen zienz und wir haben einige grös-
ist grossartig. Dank der Heilsar- unsere Gottesdienste und an- für uns wichtigen Dinge fokus- langjährigen Auftrag des Kan- sere Bauprojekte und Anfragen
mee haben viele Menschen zu dere Angebote. In unseren Hei- sieren, können wir die dafür be- tons Bern verloren. Aber auch für neue Wohnangebote in der
einem lebendigen Glauben ge- men haben wir die Pandemie nötigten Arbeitskräfte gezielter im Sozialwerk mussten wir Ver- Pipeline. Nicht zu vergessen
funden und wurde Armut und gut überstanden. Was die Spen- einbinden. Letztlich müssen wir luste von Institutionen hinneh- ist auch, dass die Heilsarmee
Obdachlosigkeit in der Schweiz den betrifft, waren die letzten klarer sagen, wer wir sind und men. Daraus haben wir zwei Schweiz ebenfalls für die Arbeit
bekämpft. Heute werden viele beiden Jahre sogar besser als was wir tun, damit wir auch für Lehren gezogen: Erstens sollten in Österreich und Ungarn ver-
antwortlich ist, wo spannende
Entwicklungen auf uns warten.
Interview: Corinne Remund
Die Heilsarmee ist für Men-
schen da. Wer in Not ge-
rät, findet bei ihr Rat, offene
Ohren und Trost. Oder ein
neues Zuhause. Und Platz
am gedeckten Tisch. Die
Heilsarmee ist mit mehr als
30 sozialen Institutionen und
über 50 Kirchgemeinden
in der Deutsch- und West-
schweiz breit vertreten.
Weitere Infos:
Bild: Ruben Ung Bild: Magalia Giardin
www.heilsarmee.ch
Die Heilsarmee Schweiz will vor allem im Bereich Sozialwerk wachsen. Unbürokratische und pragmatische Hilfe an Randständige und Bedürftige.