Page 3 - Oberaargauer Zeitung - KW 29 - 2021
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DIENSTAG, 20. JULI 2021 SEITE 3
FORTSETZUNG
«Wir geben damit einem brei- tur-intensiven Anlagen aber bei
ten Publikum einen einfachen weitem nicht gedeckt werden»,
Zugang zum Klettern. Bewegung stellt er fest. Die Kletterhallen Mit spitzer Feder …
im dreidimensionalen Raum fühlen sich in der schwierigen
sind zurzeit gefragt.» Dies be- Lage von der Politik im Stich ge-
dingt aber auch eine moderne, lassen: Zum wohl der Bevölke-
stets aktualisierte Infrastruktur. rung mussten die Anlagen trotz
So entwickeln sich die Anfor- gut funktionierenden Schutz- Rücksichtsloser
derungen an eine zeitgerechte konzepten schliessen und für
Freizeitanlage ständig. Freund- die daraus resultierenden weit- Audiomüll
liche Mitarbeitende, Sauber- reichenden Konsequenzen will
keit, Hygiene sind für uns als nun niemand Verantwortung
Dienstleistungsbetrieb wich- übernehmen: «Die finanziel-
tige Basisfaktoren», so Riediker len Auswirkungen der Pande- Bling – auf meinem Smartphone schend abgehört. Ich fühle mich
und er doppelt nach: «Viele An- mie auf unsere Betriebe werden kommt eine Nachricht rein. Kein unter Druck. Der Ball liegt in mei-
lagen bieten auch noch Zusatz- von der Politik nicht genügend geschriebenes SMS, nein eine nem Feld, und ihn liegen lassen,
dienstleistungen wie ein Bistro, ernstgenommen. Reserven wer- Sprachnachricht. Keine Ahnung, tun nur Spielverderber.
ein Klettershop, Events, Kurse den buchstäblich vernichtet – worum es geht! Ich sollte wohl ir-
etc. an. Die Gesellschaft ist nun Bild: kletteranlagen.ch wer nichts mehr hat, darf bet- gendwie reagieren, bin aber un- Doch wie soll ich antworten? Mein
auch bereit, etwas dafür zu be- Sicherheit geht vor: Durch Kurse, teln gehen.» Für die Betriebe terwegs, also bleibt mir nicht an- Gegenüber hat sich ja selber ge-
zahlen.» Gemäss dem Unter- Broschüren, Flyer etc. trägt die IGKA geht es nach wie vor darum, deres übrig, als mein Ohr ans Te- gen ein Telefonat und für diesen
nehmer wird es künftig noch ihren Teil bei, den Klettersport als die finanzielle Situation zu sta- lefon zu pressen. Es ist laut um Audiomüll entschieden, für ein
mehr Richtung Breitensport ge- sicheren Breitensport zu etablieren. bilisieren. «Wir sind nach dem mich herum und ich verstehe Format, das keine Zwischenrufe,
hen. Alle Angebote und Bewe- Lockdown mit aufgebrauchten nicht alles, aber nachfragen kann Nachfragen zulässt. Wenn man
gungsformen, welche verhält- schieht die Nutzung der Klet- Reserven direkt in die Neben- ich nicht, weil am anderen Ende ehrlich ist, sind Sprachnachrich-
nismässig kleine «Einstiegs- teranlage generell auf eigene saison gestartet.» Eine zusätz- der Leitung niemand ist. Plötzlich ten Kommunikationssackgassen
hürden» für neue Kletterer bie- Verantwortung. Dank guter liche Herausforderung für die stoppt die Aufnahme, bin wohl – eine Runde Märchenstunde.
ten, spielen dabei eine zentrale Grundausbildung passieren re- Branche sind die bürokrati- aus Versehen auf die Pausentaste Völlig sinnbefreite Datenmen-
Rolle. «Mit Angeboten für die lativ wenig Unfälle», erklärt der schen Hürden, um an Hilfsgel- gekommen und dann plärrt die gen, sie gehören einfach abge-
Kids von heute, investieren wir junge Kletterexperte. der zu kommen. Nachricht so laut, dass das ganze schafft! Anders als geschriebene
auch in die nächste Generation. Umfeld mithören kann. Einfach Nachrichten verlangen Sie meine
In unserer Anlage haben wir bei- Obwohl Sport und Freizeit «Für die Zukunft brauchen nur ärgerlich! Schaffe ich es dann, volle Aufmerksamkeit. Überflie-
spielsweise einen Spielplatz mit wachsende Bedürfnisse blei- wir dringend eine gesetzliche die ganze Nachricht adäquat ab- gen funktioniert hier nicht. Den
einer Boulderwand, wo bereits ben, sind die Herausforderun- Grundlage für eine angemes- zuspielen, naht die nächste Bre- ganzen Müll in einer normalen
3-jährige Kids rumkrabbeln. gen rund um Corona gross. Die sene Entschädigung im Pande- douille. Obwohl ich ein relativ gu- Textnachricht aufschreiben, das
Unseren ältesten Kunden sind Pandemie traf die Kletteranla- miefall. Fehler und Versäum- tes Kurz- und Langzeitgedächt- würde sich kein Mensch antun.
schon deutlich über 80-Jährig.» gen mit voller Härte. Die Ein- nisse sollten sich nicht allzu oft nis habe, muss ich immer wieder Neun Minuten Sprachnachricht,
schränkung des Sport- und wiederholen», so die Forderun- Punkt für Punkt durchgehen, was das gäbe ein halbes Buch. Wann
Nach IG-Standards Freizeitangebots bedeutete eine gen der Branche an die Politik. der Absender nun von mir will. haben Menschen angefangen,
ausbilden Schliessung der Anlagen über Wäre es eine schriftliche Nach- andere Menschen ihren gedank-
Einen grossen Stellenwert hat mehrere Monate in der Haupt- richt gewesen, hätte ich alles be- lichen Sondermüll vor die Füsse
die Aus- und Weiterbildung in saison. «Natürlich gibt es Kurz- Corinne Remund quem nachlesen können. zu kippen? Nicht, dass man sich
der Branche. Unmittelbar damit arbeitsentschädigung und da unter Freundinnen alles haarklein
verbunden ist die Sicherheit der und dort etwas Härtefallunter- www.kletteranlagen.ch Viele Menschen finden es prak- erzählen kann, aber dann doch
Kunden, das A und O im Klet- stützung. Damit können die tisch, mit dem Smartphone bitte mit irgendeinem sinnvollen
tersport. Die IG Kletteranlagen Fixkosten unserer infrastruk- Sprachnachrichten zu verschi- Inhalt – entweder man will einen
hat deshalb die Grundausbil- cken. Schlimm ist es aber für die, Rat, eine Reaktion oder einfach
dung zum Sportklettern in Klet- die damit zugemüllt werden. Es gemeinsam lachen. Das geht
teranlagen schweizweit standar- ist doch so: Mit echter Kommu- aber nur, wenn man miteinan-
disiert. «Die meisten Organisa- DAS MACHT DIE IGKA nikation ist es wie mit einem Ball- der kommuniziert und nicht eine
tionen bilden nun nach diesen Mitglieder untereinander vernetzen spiel. Ein Anruf, eine Frage, der Sprachnachricht schickt. Denn
Standards aus. Wir sind auch Anfang eines Gesprächs, das ist wie kann ein Monolog Teil eines
sehr froh, dass unsere Partner- Die Gründung der Interessengemeinschaft der Schweizer das Angebot. Ich signalisiere: Ja Dialoges sein? Aus gutem Grund
organisationen wie der Schwei- Kletteranalgen IGKA am 13. Oktober 2007 ist auf die Entste- – oder eben Nein. Bei Ja folgt ein habe ich keine Mailbox, Wer was
zer Alpen-Club oder der Berg- hung der ersten Kletteranlagen in den 90er-Jahren zurückzu- Passspiel, hin und her, du und will, soll nochmals anrufen!
führerverband hier mitziehen», führen. Gegründet wurde die IGKA von einigen Kletteranlagen- ich – echter Austausch eben. Mit
so Riedker. Denn es ist offen- Betreiber sowie dem Schweizer Alpen Club SCA. Ziel der IGKA Sprachnachrichten auf WhatsApp Nach den 9-minütigen Gedan-
sichtlich: Ein Fehler beim Klet- ist es, einen sicheren und qualitativ hochstehenden Indoor ist das anders. Da nimmt das Ge- kensalat bin ich erschöpft, leicht
tern oder Sichern kann fatale Klettersport in der Schweiz zu gewährleisten. Ausbildung und genüber den Ball und haut ihn mir hässig. Ich schreibe deutlich und
Folgen haben. Während frü- Sicherheit bilden nach wie vor Kernthema. So hat zum Bei- direkt ins Gesicht. Danach liegt klar in gutem Deutsch eine SMS
her die wichtigsten Regeln und spiel die IGKA die Grundausbildung zum Sportklettern stan- der Ball in meinem Feld, und ich zurück. Übrigens, das Zweite,
Kniffe à la «Learning by doing» dardisiert und dazu eine eigene Kursleiter-ausbildung ins Le- bin dran – notabene ob ich will was mich im digitalen Dialog
vom Kollegen gezeigt wurden, ben gerufen. Informationen rund um Standards bezüglich In- oder nicht. Sprachnachrichten nervt, sind WhatsApp in Mund-
zieht dieses Lernkonzept in der frastruktur sowie die Kommunikation gehören ebenso zu den sind schlichtweg egoistisch. Ellen- art einfach eine Zumutung. Diese
modernen Welt dieses Breiten- Dienstleistungen der IGKA Ebenso fördert die IG Kletteranla- langes Geplauder ohne Sinn und Nachrichten muss ich auch sie-
sportes nicht mehr. Nun sind gen die Vernetzung der Mitglieder untereinander sowie auch Verstand, ohne konkrete Mes- ben Mal lesen bis ich überhaupt
professionell geschulte Kurs- gegen aussen mit Behörden, anderen Verein, Organisationen sage. Für mich ist das kein An- entschlüsselt habe, was der Ab-
leiter und Ausbilder gefragt, und Institutionen. Die IGKA ist Mitglied bei der Fachgruppe Si- gebot zur Kommunikation, das sender will! Deshalb: Ist es nicht
die sich mit dem Gefahrenma- cherheit im Bergsport (www.alpinesicherheit.ch). Dazu soll ist geistiger Missbrauch. Sprach- eine grundlegende Einstellung,
nagement an den Kletterwän- der Austausch unter den verschiedenen Kletteranlagen geför- nachrichten sind gut für alle, die die Zeit des anderen zu respek-
den und Felswänden bestens dert und gepflegt werden, so dass nebst dem Zusammentra- sich selber gerne reden hören. Es tieren und sie nicht absichtlich zu
auskennen. Kletteranlagen, die gen von Know-how, gemeinsam neue Visionen für den Kletter- gibt allerdings eine Ausnahme: verschwenden? Also hört bitte
nach IG-Standards ausbilden, sport entwickelt werden können. Für Menschen mit Behinderun- auf, diese Dinger an mich zu schi-
werden von ihrem Ausbildungs- gen, die Mühe haben via SMS cken. Ich antworte nämlich dann
verantwortlichen über mehrere Die IG zählt insgesamt 78 Mitglieder. Diese setzen sich aus eine Nachricht zu verfassen, sind Folgendes: Cool, kannst du es
Monate nach einheitlichen Vor- Betreiber von Kletteranlagen sowie institutionelle Mitglieder Sprachnachrichten eine gute Op- mir bitte schreiben oder anrufen?
gaben ausgebildet. Sie leisten wie der Schweizer Alpen-Club SCA, der Schweizer Bergfüh- tion. Wobei aber auch diejenigen Und wenn ich jetzt als zickig und
Praktika und werden von zwei rerverband, Bergschulen oder das BFU zusammen. Aktuell sich gerne vor dem Abschicken altbacken gelte, dann ist es eben
externen Prüfungsexperten auf sind schweizweit 68 Kletteranlagen Mitglied – dies sind so- überlegen können, wie ausführlich so! Von mir jedenfalls kriegt ihr
ihr Know-how getestet. «Leute, wohl kleineren Anlagen, die auf Vereinsbasis geführt werden, sie die Sprachnachricht gestalten nie eine Sprachnachricht, ich be-
die neu in eine Kletterhalle als auch Betreiber mit mehreren grösseren, kommerziell ge- wollen. Die grösste Frechheit, die lästige meine Mitmenschen nicht
kommen, müssen genau infor- führten Kletteranlagen. Etwa 70 Prozent sind KMU. Die Bran- mir mit Sprachnachrichten je pas- mit irgendwelchem zeitaufwändi-
miert werden, was sie dürfen, che beschäftigt rund 1000 Leute, die meisten davon Teilzeit siert ist, war ein 9-minütiges Ge- gen Gebabbel.
und was nicht.» und in kleinen Arbeitspensen. Ehrenamtliche Tätigkeit spielt plauder. Gut erzogen wie ich bin,
Daneben wird aber auch die ebenfalls eine wichtige Rolle. und aus Anstand und Respekt Herzlichst,
Eigenverantwortung grossge- CR gegenüber meinen Mitmenschen, Ihre Corinne Remund
schrieben: «Wenn ich die nö- habe ich die Nachricht zähneknir- Verlagsredaktorin
tige Ausbildung mitbringe, ge-