Page 3 - Emmentaler Woche - KW 42 - 2021
P. 3
DIENSTAG, 19. OKTOBER 2021 SEITE 3
FORTSETZUNG
Dennoch möchten Kundinnen
und Kunden gerade bei hoch-
preisigen Objekten mehr wis- Mit spitzer Feder …
sen und näher daran sein. «Die
unvergleichbare Atmosphäre
einer live durchgeführten Auk-
tion werden reine Online-Auk- Die Schweiz ist
tionen nie ersetzen können»,
ist Bischoff überzeugt. auf den Hund
Übrigens – die Galerie Kornfeld gekommen
hat im Jahr 2020 das höchste
Ergebnis einer Einzelauktion
im ganzen DACH-Raum erzielt, Corona hat viele Gesichter und zugekleistertem Gesicht den
also auch höher als die deut- und unter anderem dazu ge- Wolf in die Armani-Tasche ste-
schen Häuser. «Die Leute sind Bild: pixabay führt, dass die Schweiz auf den cken kann, damit er kompatibel
gerade in Zeiten von Negativ- Möbel und «normale» Einrichtungsgegenstände haben es immer schwerer Hund gekommen ist – und dies für die 34-Quadratmeter-Single-
zinsen und guter Börsenent- im Markt. im wahrsten Sinne des Wortes! wohnung ist. Und werden diese
wicklung bereit, viel Geld für Die Corona-Einsamkeit hat bei degenerierten Häufchen Fell nicht
Kunst- und Kulturgut auszu- Unrecht zu einer Vorverurtei- mancher Schweizerin und man- in der Tasche oder im Kinderwa-
geben. Oftmals gelten Objekte lung einer ganzen Branche. So DAS MACHT chem Schweizer die (vermeintli- gen Gassi geführt, so benötigen
auch als Wertanlage», freut wirken sich etwa Zollvergehen DER AUKTIONATOREN- che) Tierliebe geweckt. Gefühle, sie dreimal so lang für einen Spa-
sich Bischoff. Privater auf unsere Arbeit aus – VERBAND Aufmerksamkeit, Streicheln, kör- ziergang wie ihre grossen Artge-
obwohl wir alles nachweislich perliche Nähe – all das bleibt in nossen. Und die oftmals nervö-
Stark regulierte Branche korrekt machen», konkretisiert Der Verband schweizerischer der Corona-Pandemie seit einem sen, ratlos dreinblickenden Besit-
Der Verband ist politisch an Bischoff. Eine Herausforderung Auktionatoren von Kunst- und Jahr auf der Strecke. So suchen zerinnen und Besitzer betrachten
verschiedenen Fronten ak- sieht er auch in der demogra- Kulturgut vereinigt unter einem viele Menschen Freundschaft ihre Pinscher, Terrier, Welsh Corg,
tiv wie beispielsweise bei den phischen Entwicklung, die Dach die führenden Schweizer und Trost bei Haustieren. Tier- Chihuahua, Mops, Bulldogen, Ca-
sich ständig ändernden Zoll- den Mittelstand kleiner wer- Auktionshäuser. Er wurde ge- heime wundern sich, dass ihnen vapoo usw. wie ein Kleinkind, das
und Mehrwertsteuervorschrif- den lässt. «Damit entfällt eine gründet mit dem Ziel, gemein- der letzte Köter aus den Händen gerade laufen lernt.
ten oder unnötigen und vor al- grosse Gruppe potenzieller sam die Anliegen der Branche gerissen wurde, der sonst ein- Eine noch grössere Zumutung als
lem nicht zielführenden Vor- Kundinnen und Kunden für Ob- besser verfolgen zu können. Er sam hinter Gittern sein Dasein die invasiven Begegnungen mit
ist zudem auch eine Art «Güte-
stössen, wie etwa dem Folge- jekte im tieferen und mittleren siegel», um sich innerhalb der fristen musste. Da nützen alle diesen Schosshündchen, ist ihr
recht. Der Kunsthandel gilt Preissegment.» Er hofft, dass grösseren Branche abgren- Aufrufe der Tierheime und Tier- Gekläffe – in der Wohnung über
zudem völlig zu Unrecht als Ri- die Menschen Kunst- und Kul- zen zu können. Er ist einer der schutzorganisationen und -verei- mir sowie in den Nachbarliegen-
sikobranche. «Wir versuchen turgut in Zukunft als integralen vier Trägervereine im Dach- nen nichts, doch den Kauf eines schaften: Da jault und grummelt
zu vermitteln, dass man genau Teil unserer Gesellschaft an- verband des Schweizer Kunst- Haustieres bedacht anzugehen, es. Besonders nachdem Lock-
hinschauen muss. Die offiziel- sehen werden, und auch künf- handels (Verband Kunstmarkt auf Importe und Qualzuchten aus down inklusive Homeoffice-Pflicht
len Kunsthandlungen stehen tige Generationen die Sammel- Schweiz), der alle Facetten des dem Ausland zu verzichten und aufgehoben und die Tage wie-
mit einem der strengsten Kul- leidenschaften pflegen werden. Kunsthandels (also auch Gale- bei einer Anschaffung dann auch der länger und wärmer wurden
turschutzgesetze der Welt unter rien und Antiquariate) mit einer entsprechend Verantwortung für und Frauchen und Herrchen wie-
dauernder Beobachtung.» Pri- professionellen Geschäfts- das Haustier zu übernehmen. der ihrem normalen – eigentlich
vate hingegen können sich im Corinne Remund stelle abdeckt und betreut. Der Doch die Fachexperten sties- hundlosen – Leben nachgehen,
Graubereich der Gesetzgebung Verband dient aber auch dem sen mit ihren Empfehlungen und nehmen die lästigen Hunde-Kon-
bewegen – dies führt oftmals zu informellen Austausch und ist Tipps grossmehrheitlich auf taube zerte zu. Die Tiere sind den Be-
bestens mit anderen Vereinen, Ohren. Auch härtere Kontroll- dürfnissen ihrer verantwortungs-
Organisationen und Institutio- massnahmen über die Tauglich- losen Besitzer gnadenlos aus-
nen vernetzt. Ebenso engagiert keit der neuen Besitzerinnen und geliefert und finden sich hier als
er sich auf politischer Ebene. Besitzer, damit nach der Pande- eigentliche Herdentiere in Isolati-
Die 17 Mitglieder setzen sich mie die Tierheime nicht mit unge- onshaft. Tja – Hunde sind Lebe-
zusammen aus sogenann- wollten Hunden überfüllt werden, wesen – keine Puppen, die man
ten «Allrounder-Auktionshäu- scheinen nur bedingt zu funktio- in der Schublade versorgt, wenn
ser» mit einem breitgefächer- nieren. Denn war es vor drei Mo- man keine Lust mehr zum Spie-
ten Angebot wie auch aus Spe- naten noch fast aussichtslos, ei- len hat. Und Hunde sind auch
zialauktionshäuser, die aus- nen Hundewelpen zu bekommen keine Lückenbüsser, wenn Frau-
schliesslich Kunst, Auktionen, – gibt es nun ein Überangebot. chen oder Herrchen ein Problem
Münzen oder Antiken anbie- Ich bin grundsätzlich sehr tier- mit sich selbst hat und sich selbst
ten. Der gesamte Kunstmarkt lieb und habe in meiner Jugend in nicht mit Liebe und Geborgenheit
im engeren Sinne macht in der der Freizeit gerne und oft bei ei- versorgen kann.
Schweiz in einem «normalen» nem befreundeten Tierarzt gear- Und nun haben wir die Miss-
Jahr rund 7000 Millionen Fran- beitet und ausgeholfen. Doch zu- stände mit der neuen Spezies
ken Umsatz. Davon entfallen sehends nervt mich das Verhal- Corona-Hund. Dank der Pan-
250 bis 300 Millionen Franken ten gewisser Hunde und vor al- demie sind diese Tiere oft ohne
auf die Auktionshäuser. lem deren Besitzerinnen und Hundeschule oder Hundetrainer
CR
Besitzer. Man begegnet diesen aufgewachsen. Sie wurden im
www.auktionatoren.ch Handtaschenhunde fast an jeder Hunde-Homeschooling zum Ein-
Strassenecke – egal ob auf dem zelprinzen bzw. -prinzessin ver-
Bild: zVg
Land oder in der Stadt. Seit Co- hätschelt. Durch die Homeoffice-
rona tummeln sie sich geradezu Zeit des Halters oder der Halte-
in unangenehmen kläffenden Hor- rin hat das Tier nie gelernt, alleine
Ausstellung «August Gaul. Moderne Tiere» den im Park, auf dem Spielplatz, zu sein. Unsere Tierheime stehen
noch bis zum 24. Oktober 2021 im Café oder sogar in Geschäfts- nun vor der grossen Herausfor-
und Büroräumen. Die «Bäffzger» derung, solche Hunde zu vermit-
Vom Nahrungsmittel über die Attraktion im Zoo bis hin zum treuen Weggefährten im eigenen Zuhause. sind oft schlotternde Miniversio- teln. Denn die neue Corona-Hun-
Das Zusammenleben mit Tieren beschäftigt den Menschen seit jeher und es ist auch heute noch einem nen des Canis lupus mit chroni- degeneration braucht Menschen
steten Wandel unterworfen. Diese Aktualität lädt dazu ein, das Werk des Bildhauers August Gaul (1869– scher Atemnot und Gelenkproble- mit viel Zeit und Geduld – die im-
1921) unter dem Gesichtspunkt heutiger Debatten wie Klimawandel oder Tierschutz neu zu betrachten. men, eingepackt in Designermän- mer zu Hause sind und Lebens-
Die Ausstellung ist in sieben Kapitel gegliedert, welche verschiedene Aspekte des Mensch-Tier-Ver- telchen, verziert mit Lack, Leder noch besser Hundeerfahrung ha-
hältnisses um 1900 aufgreifen. Die Themen reichen von der Gründung zoologischer Gärten und Natur- und Strasssteinchen. Geschöpfe, ben. Also liebe Rentnerinnen und
kundemuseen als Abbilder der wissenschaftlichen Neuordnung und modernen Bezwingung der Natur deren ursprünglichen Bedürf- Rentner, wenn Sie mit Ihren Co-
über die Einführung des bürgerlichen Haustiers und die gleichzeitig einsetzenden Tierschutz- und Ve- nisse und Lebensräume zuguns- rona-Enkeln nicht ausgelastet
getarierbewegungen, die Popularisierung der Evolutionstheorie und die damit einhergehende Wahr- ten von Kommerz, Lifestyle und sind, denken Sie über einen Co-
nehmung von Tieren als intelligente und fühlende Wesen bis hin zu Verhaltensforschung und Biotech- hippen Trends von durchgeknall- rona-Hund nach.
nik. Die Ausstellung fragt danach, wie sich die grundlegenden Veränderungen im Mensch-Tier-Ver- ten Stars und Sternchen ignoriert
hältnis auf die Entstehung und Rezeption von Gauls Werk ausgewirkt haben und verknüpft diese In- werden. Geschöpfe, die nur exis- Herzlichst,
halte mit aktuellen Diskursen. tieren, damit ihr Frauchen mit lan- Ihre Corinne Remund
www.kunstmuseumbern.ch gen lackierten Nägeln, Fischmund Verlagsredaktorin