Page 3 - Burgdorfer Zeitung - KW 19 - 2021
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DIENSTAG, 11. MAI 2021 SEITE 3
FORTSETZUNG
Wir beobachten die digitalen genau an diesem Punkt durch
Veränderungen genau und sind die gezielte finanzielle Unter-
immer aktiv, wenn sie sich für stützung von Betreuungsleis- Mit spitzer Feder …
Seniorinnen und Senioren als tungen zu Hause zu entlasten.
unzumutbar erweisen. Denn
Pro Senectute ist da, um die äl- Was wünschen Sie sich für Pro Das Leben:
tere Bevölkerung zu befähigen, Senectute wie auch für die äl-
an der immer digitaleren Gesell- tere Bevölkerung für die Zu-
schaft teilzunehmen. Meldun- kunft? Eine grosse
gen über schliessende Bankfilia- Wir wünschen uns, dass Men-
len oder QR-Code-Einzahlungs- schen in der Schweiz bis ins Warteschleife!
scheine bereiten den Menschen höchste Alter als mitgestal-
oft Sorge. Hier ist es an uns zu tende und wertgeschätzte Mit-
informieren und bei den neuen glieder der Gesellschaft leben Im Grunde warten wir ständig: auf sigkeit und Termintreue – so die
Abläufen zu unterstützen. Wir können, frei von Ausgrenzung ein Ergebnis, auf eine Diagnose, Wettbewerbsvorteile der Schwei-
setzen uns aber immer dafür und Armut im Alter. Wir wün- auf den Zug oder auf eine Ant- zer Wirtschaft. Doch Digitalisie-
ein, dass älteren Menschen bei schen uns, dass die ältere Be- wort per Mail oder auf die grosse rung und Kapitalismus haben
digitalen Veränderungen genü- völkerung ihr Leben in Würde Liebe, auf das Ende einer lang- grosse Interessen daran, uns je-
gend Zeit und alternative Ange- Bild: zVg geniessen können und auf indi- weiligen Sitzung oder auf den den Anspruch auf Geduld auszu-
bote für die Übergangsphase zur Alain Huber, Direktor Pro Senec- viduelle Unterstützung zählen Start einer aufregenden Karriere. treiben. Jeder Kaufreiz muss oder
Verfügung stehen. Wir stellen tute Schweiz: «Wir wünschen uns, können, um möglichst autonom Wir warten auf bessere Zeiten kann sofort gestillt werden. Nie
mit Bedauern fest, dass für Se- dass Menschen in der Schweiz bis in ihrem Zuhause alt werden oder den Weltuntergang, auf ei- war es einfacher auf etwas war-
niorinnen und Senioren mit den ins höchste Alter als mitgestaltende zu können. Dafür machen wir nen Geburtstermin oder den Tod. ten zu müssen. Mit dem Smart-
sich ändernden alltäglichen Tä- und wertgeschätzte Mitglieder der uns mit 1800 Mitarbeitenden Warten – manchmal haben wir phone in der Hand können wir
tigkeiten wie Posteinzahlungen Gesellschaft leben können.» und über 18'400 Freiwilligen in Angst dabei, manchmal sind wir jede Minute unseres Lebens be-
oder Geldabheben soziale Kon- unserer täglichen Arbeit in al- voller Hoffnung. Wer Kinder hat, spielen.
takte verloren gegangen sind. die minimalen Lebenskosten len Landesteilen stark (siehe kennt das: Schon nach wenigen
Wir bieten daher viele alterna- zu decken. Das zeigt, dass die Kasten). Reisekilometern im Auto geht's In Corona-Zeiten warten alle da-
tive Möglichkeiten, um soziale AHV ihren verfassungsmässi- los: «Mama, wann sind wir endlich rauf, dass das Leben normal,
Kontakte zu pflegen, wie Frei- gen Auftrag der Existenzsiche- da?» Ob man «bald» sagt oder «in ohne Einschränkungen weiter ge-
zeitangebote, Besuchsdienste rung im Alter nicht erfüllt und Interview: Corinne Remund drei Tagen», macht kaum einen hen wird. Das dauert! Ob Klopa-
und Freiwilligenarbeit. die Reform der ersten Säule mit Unterschied: Ein paar Minuten pier, der ersehnte Corona-Impf-
Tempo auf Kurs gebracht wer- Ruhe, schon tönt's wieder vom stoff oder die Rückkehr zur Nor-
Laut der Studie «Digitale Se- den muss. Doch auch bei der Rücksitz. Und Säuglinge können malität – nichts davon kommt
nioren 2020» kann die Mehr- beruflichen Vorsorge herrscht Pro Senectute überhaupt noch nicht warten – über Nacht. Das nervt gewaltig.
heit der Seniorinnen und Senio- akuter Reformbedarf. Es ist sie schreien einfach, wenn sie et- Die Pandemie diktiert das Tempo
ren heute mit digitalen Kommu- wichtig, dass die Politik mass- Kanton Bern was brauchen oder haben wollen. und wir müssen uns zähneknir-
nikationstechnologien umge- volle und für alle zumutbare Warten-Können ist eine Frage der schend fügen – eine ganz neue
hen. Wie digital sind die älteren Reform-Pakete schnürt, die vor Die 24 kantonalen und Zeitwahrnehmung – die wird etwa Erfahrung für die verwöhnten In-
Menschen im Alltag wirklich? dem Volk bestehen können. interkantonalen Pro Senec- ab dem 3. Lebensjahr immer dif- dustrieländer und Kapitalisten.
Die Zahlen sind erfreulich und Doch auch die per Anfang 2021 tute Organisationen stehen ferenzierter. Vor allem aber hängt Corona macht das ewige War-
die Entwicklung digitaler Kom- umgesetzte EL-Reform braucht der älteren Bevölkerung es ab von der Selbstkontrolle. ten nur schlimmer. Seit Mona-
petenzen wurde aufgrund der einen weiteren Schritt, damit und deren Angehörigen ten fliesst die unsichtbare Gefahr
Corona-Pandemie sicherlich diese langfristig finanziell sta- mit 130 Beratungsstellen Das Warten, Erdulden, Ertragen zäh durchs Leben und stellt alles
beflügelt, um trotz physischer bilisiert werden kann, ohne in der ganzen Schweiz zur und Aushalten hat ganz verschie- auf Dauerschleife – kein Ende in
Distanz mit seinen Nächsten in die Menschen im Alter zu be- Seite. Die Geschäftsstelle dene soziologische und psycho- Sicht, immer neue Einschränkun-
Kontakt bleiben zu können. In strafen. Das kann mit einer Ihres Wohnkantons steht logische Dimensionen. Zwar ist gen, so wenig Reiz, so viel Unge-
Zahlen gesprochen waren per Entlastung bei den Heimkos- Ihnen mit Beratungen, In- Warten eine alltägliche Erfahrung. wissheit, und wir: die ewig War-
Ende 2019 74 Prozent der Se- ten und einer Verlagerung hin formationen und Dienst- Aber Warten ist nicht gleich War- tenden. Das Warten hat momen-
niorinnen und Senioren online zu einer besseren Unterstüt- leistungen zur Seite: ten: Da ist der Musiker, der vor der tan Konjunktur und ein mieses
unterwegs. Jungseniorinnen zung bei der Betreuung zu Partitur auf seinen Einsatz wartet. Image. Warten, so die kollektive
und -senioren können mittler- Hause passieren. EL-Bezie- Pro Senectute Kanton Bern Seine Wahrnehmung ist so ge- Erfahrung im westlichen Kultur-
weile im Umgang mit digitalen hende im Heim beziehen rund Worblentalstrasse 32 schärft wie die des Jägers auf der kreis, gilt als Zumutung. Wer auf
Kommunikationstechnologien dreimal höhere EL als diejeni- 3063 Ittigen Pirsch oder die des Scharfschüt- die säumige Verabredung oder
sogar mit der jüngeren Bevölke- gen zu Hause. Dies überrascht zen, der seinen Feind ins Visier den freien Tisch im Restaurant
rung mithalten. Der Anteil der angesichts der durchschnittli- Tel. 031 359 03 03 nimmt. Gläubige warten auf den oder eben auf das Ende der Pan-
«Online-Senioren» hat sich seit chen Heimkosten von jährlich info@be.prosenectute.ch Erlöser, Flüchtige auf den günsti- demie respektive das Umschal-
be.prosenectute.ch
2010 fast verdoppelt, zwei Drit- 72'000 Franken wenig, zeigt gen Moment. Kinder warten auf ten auf Normalbetrieb wartet, der
tel besitzen Tablets oder Smart- aber, wie wichtig es ist, die EL ihren Geburtstag oder auf Weih- wird ungeduldig, nicht selten un-
phones. Die mobile Nutzung nachten. Ich erinnere mich noch gehalten und aggressiv. Anschei-
des Internets ist seit 2015 um gut, die Zeit vom 1. bis zum 24. nend funktioniert es nicht, das
mehr als das Doppelte gestie- Dezember war für mich als Kind Warten als geschenkte Zeit zu
gen. Ältere Menschen, die off- Über 100 Jahre Pro Senectute eine zauberhafte Zeit – jeden Tag begreifen, statt sie zu geniessen,
line unterwegs sind, sind heute ein Türchen öffnen bis zum gros- wird sie zur Qual. Die Krise for-
in der Minderheit und vorwie- Am 23. Oktober 1917 gründen zehn Männer unter dem Pat- sen Fest. Das Warten war ein Er- dert unsere Geduld heraus. Wir
gend über 80 Jahre alt. Die Ge- ronat der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft die lebnis und ging wie im Fluge vor- müssen – ob es uns passt oder
neration 65+ zeigt klar Gefallen Stiftung «Für das Alter». Gemeinsam wollen sie die Lage der bei. So ist für manchen das War- nicht – klarkommen damit, dass
an der digitalen Welt. Das geht überwiegend bedürftigen älteren Menschen in der Schweiz ten geschenkte Zeit und die Vor- wir auf ein Ende warten, das noch
aus der Studie «Digitale Senio- verbessern, was auch heute noch in der Vision der Organisa- freude ein Glück. Denn so viel nicht absehbar ist. Dabei verges-
ren 2020» von Pro Senectute tion grossgeschrieben ist. Dazu gehörte schon bald die Forde- steht fest: Ist das Warten ein Ver- sen wir, das Warten eine Kompe-
Schweiz hervor. rung nach einer staatlichen Altersvorsorge, was das Volk 1925 sprechen, an dessen Ende Er- tenz ist, die wir fürs Leben brau-
an der Urne ebenfalls wünschte. Es verstrichen einige Jahre, füllung steht, dann fühlt es sich chen. Geduld ist eine Tugend, die
Ein Achtel der älteren Bevölke- bis 1947 das Bundesgesetz zur AHV vom Schweizer Stimmvolk gleich besser an. In der Pandemie uns durchdas Leben trägt. Das
rung in der Schweiz ist von Ar- bestätigt wurde. Doch die ersten Renten waren bescheiden und hat das Warten eine andere Be- Warten-Können ist ein wesentli-
mut betroffen. Ist die Sensibi- genügten selten, um den Lebensunterhalt zu decken. Viele Se- deutung und Dimension bekom- cher Prozess im Leben. Deshalb:
lisierung für Altersarmut noch niorinnen und Senioren waren weiterhin auf unsere Unterstüt- men. Gerade wir in der überaus Wenn Sie das nächste Mal war-
zu gering und was kann diesbe- zung angewiesen. Pro Senectute setzte sich nebst der Armuts- pünktlichen Schweiz, wo alles bis ten müssen – atmen Sie durch,
züglich Gesellschaft und Politik bekämpfung für ein vielseitiges Leben in Würde ein, wofür 1950 auf die Minute optimal organisiert nutzen Sie die erzwungene Pause
tun? ein schweizweites, niederschwelliges Kursprogramm für die und durchstrukturiert ist, sind dazu, Ihr Nervensystem zu beru-
Armut im Alter ist noch im- ältere Bevölkerung etabliert werden konnte. Mit der Einfüh- es nicht mehr gewöhnt zu war- higen und denken Sie an etwas
mer weit verbreitet, denn in ten – und wenn, dann jeweils nur Schönes und seien Sie dankbar,
keiner Altersgruppe sind die rung der beruflichen Vorsorge, der zweiten Säule der staatli- kurz. Viel von uns sind damit auf- denn Zeit ist unser wertvollstes
Vermögen und Einkommen so chen Altersvorsorge, war ein weiterer wichtiger Schritt in der gewachsen, dass auf geschäftli- Gut!
ungleich verteilt, wie bei den Bekämpfung der Altersarmut gemacht, für welchen sich Pro cher und staatlicher Ebene alles
über 60-Jährigen. Noch immer Senectute stark machte – und es noch immer tut, stehen doch wie am Schnürchen ohne Ver- Herzlichst,
ist jede achte Person im Pen- wichtige Reformen in diesen Sozialwerken an. zögerung läuft. Höchste Qualität Ihre Corinne Remund
sionsalter auf Ergänzungsleis- bei hundertprozentiger Zuverläs- Verlagsredaktorin
tungen (EL) angewiesen, um