Page 5 - Berner Nachrichten Zentrum Ost - KW 36 - 2022
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DIENSTAG, 6. SEPTEMBER 2022 SEITE 5
Mit Hammer und Meissel
Die Bieler Steinbildhauerin Biel, Bern und Basel aus und die In nur einer Stunde formt Lu-
Lucia Strub ist nach vielen eine oder andere Skulptur wird cia Strub die individuellen Züge
Berufsjahren immer noch fas- so auch verkauft. Aktuell sind einer Person in Ton: «Mich reizt
ziniert vom Kunsthandwerk zwei ihrer Werke noch bis am vor allem der Versuch, auf diese
und formt als Unternehme- 29. Oktober 2022 anlässlich der Weise den Ausdruck ihrer Per-
rin und Künstlerin die Ma- Biennale 2022 in Waldenburg/ sönlichkeit in die Form einzu-
terie Stein zu Kunstwerken. BL zu sehen. binden.»
Tradition und Know-how gibt
sie dem Nachwuchs weiter Maschinelle Fertigung aus Mehr Akzeptanz für Beruf
und sensibilisiert so für den Zeit- und Kostengründen und Kunst
Kleinstberuf. Inzwischen hat sich eine be- Das uralte Handwerk hat sowohl
trächtliche Gruppe eigenwilli- als Beruf wie auch als Kunst
Lucia Strub ist mit Leib und ger Figuren in ihrem Atelier an- einen schweren Stand: «Wir
Seele Steinbildhaurein. Ihre gesammelt. Daneben entstehen Steinbildhauer werden oftmals
Faszination am uralten Hand- die unterschiedlichsten Werke nicht verstanden und Aussen-
werk ist noch genau so gross wie im Auftrag: Vom einfachen zum stehende sehen nicht, was hin-
am ersten Tag ihrer vierjährigen anspruchsvollen Grabmal bis ter unserem Beruf an Fertig-
Lehre als Steinbildhauerin EFZ, hin zu Skulpturen figürlicher keit und Aufwand steckt.» Der
die sie bei der Hans Brogni AG oder abstrakter Art, auf Wunsch Kleinstberuf basiert auf einer
in Nidau absolviert hatte. Ihre und nach Mass. «Manchmal langen kunsthandwerklichen
Schwester, eine Goldschmiedin, führe ich kleinere Renovations- Tradition und ist ein wichti-
brachte sie damals auf die Idee, arbeiten an alten Gebäuden aus ger Kulturzeuge, der unbedingt
diesen Beruf zu erlernen. «Be- Naturstein aus. Immer wieder sorgfältig weitergepflegt werden
reits als Kind faszinierten mich arbeite ich auch als projektbe- muss.
Steine, respektive ihre harte Be- zogene Mitarbeiterin für andere
schaffenheit und der natürliche Bildhauer.» Durch den Einblick Auch in der Kunstszene hat
Widerstand des Materials», er- in die unterschiedlich geführ- die aufwändige und schwer-
klärt die Bieler Unternehme- ten Werkstätten eignet sie sich Bild: zVg wiegende Arbeit mit Stein kei-
rin und ergänzt: «Handwerk, ein breites Spektrum an Wis- Mit Leidenschaft Steinbildhauerin: Die Bielerin Lucia Strub. nen leichten Stand, da gemäss
Kopfarbeit und gestalterisches sen und Fertigkeiten an. Seit Strub die flexible und dynami-
Schaffen vereinigen sich in die- über fünfzehn Jahren plant lufthammer, Winkelschleifer Mein geübtes Auge und die si- sche Popup-Ausstellungsmen-
sem Beruf auf ideale Weise – und realisiert sie ausserdem und Handfräse auch zum Ein- chere Hand sind dabei meine talität nach einfachen handzu-
dies sind Kompetenzen, die in einer Bildhauergruppe na- satz kommen, verwende ich wichtigsten Werkzeuge.» Stein, habenden Materialien verlangt.
mir grossen Spass machen und mens SKULTUR Projekte grös- doch vor allem Fäustel, Knüp- Ton, Maurermörtel, sowie Gips Zeitgenössische Steinbildhauer
mir auch sehr liegen.» Mittler- seren Formats. Dies ist aber nur fel und Meissel, um den Stein und Wachs sind diejenigen Ma- wirken in diesem Kontext träge
weile hat sie eines ihrer zwei von Hand abzutragen und ihm terialien, die sie in der Regel und verstaubt. «Da wir Steinigen
in diesem Me- Standbeine. Da- die gewünschte Form zu ge- verarbeitet. Das Studium alter mittlerweile einen Exotenstatus
tier erfolgreich «Es findet ein Revival neben gibt sie ben. Sie bedauert es sehr, dass Meisterwerke, der Austausch haben, scheint sich das Blatt je-
Fuss gefasst. für den Stein statt.» ihre Erfahrung heute immer mehr mit bereits mit anderen Bildhauern, Begeg- doch allmählich zu wenden. Es
Zwei Jahre und Wissen so- vorgefertigten Teil- und Halb- nungen mit den unterschied- findet ein Revival für den Stein
nach ihrer Aus- wie ihr Feuer produkten gearbeitet wird, und lichsten Menschen, aber auch statt», freut sich Strub. Die Bild-
bildung zur Steinbildhauerin für das uralte Kunsthandwerk so das ursprüngliche Handwerk Alltagssituationen liefern der hauerin hofft deshalb, dass ihr
machte sie sich mit ihrem Ate- gerne dem Nachwuchs weiter. zu wenig praktiziert und ent- engagierten Künstlerin immer Handwerk endlich eine Image-
lier in Biel selbständig. «Neben Sie gibt Überbetriebliche Kurse sprechend in der Ausbildung wieder Ideen. An ihrem Beruf aufbesserung und mehr Akzep-
der Erwerbsarbeit wollte ich für angehende Bildhauer und vermittelt werden kann. «Lei- schätzt sie besonders, dass sie tanz und Anerkennung erfährt,
möglichst viel Zeit für meine Bildhauerinnen und seit einem der wird heute viel aus Zeit- ein Produkt von A bis Z selbst und sich künftige wieder mehr
eigentliche Leidenschaft haben: Jahr den Freikurs Aktmodellie- und Kostengründen maschinell herstellen kann. «Ich habe den junge Leute für diesen wunder-
Das Studium der menschlichen ren an der Schule für Gestaltung (vor)gefertigt.» ganzen Prozess in der Hand von vollen Beruf interessieren und
Figur und deren freie Umset- in Bern (vgl. Kasten unten). der Idee, Planung, Entwick- ausbilden lassen.
zung in diverse klassische Bild- Auch das Entwickeln einer lung über das Ausführen bis
hauermaterialien wie Wachs, Sie betreibt die Steinbildhaue- Idee, das Entwerfen eines The- zum Aufstellen.» Wichtig dabei Corinne Remund
Ton, Gips, Bronze und Stein», rei heute nicht viel anders mas, geschieht bei Strub von sei, beharrlich dranzubleiben,
so Strub. Die Ergebnisse stellt als es anno dazumal gemacht Hand: «Zuerst mache ich Skiz- bis das Projekt für alle Beteilig- www.vsbs.ch
sie seither sporadisch an diver- wurde: «Obwohl bei mir tech- zen und dann setze ich sie in ten stimmig ist. Eine Spezialität www.sfgb-b.ch/kurse
sen Ausstellungen in der Region nische Hilfsmittel, wie Press- dreidimensionale Entwürfe um. von ihr sind schnelle Porträts. www.strubskulptur.ch
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«Ohne Nachwuchs stirbt unser Beruf aus»
Die sogenannten Steinberufe – Steinbildhauer,
Steinmetz, Steinwerker und Marmorist – wurden
kürzlich reformiert und unter dem Beruf Stein-
metz mit den vier Fachrichtungen «Bildhauerei»,
«Bau und Renovation», «Industrie» sowie «Ge-
staltung/Industrie» zusammengefasst. Neuer
Standort für die Schule und die ÜK ist Dagmer-
sellen. Lucia Strub unterrichtet die angehen-
den Fachkräfte in den Überbetrieblichen Kur-
sen Fachrichtung Bildhauerei. «Es macht mir
grossen Spass, mein in vielen Jahren aufgebau-
tes Wissen, mein grosser Erfahrungsschatz und
meine Leidenschaft für dieses alte Handwerk
weiterzugeben.» Auch in diesem kunsthand-
werklichen Kleinstberuf herrscht grosser Fach- Bild: zVg
kräftemangel. 3 bis 5 Steinbildhauer schliessen Auch bei den Steinbildhauern herrscht Fachkräfte-
momentan im Schnitt ihre Ausbildung ab. Dabei mangel.
hätte diese Ausbildung mit seiner Bandbreite an
fachlichen, aber auch methodischen und sozialen Kompetenzen viel Potenzial: Als Grundbildung
ist sie gleichzeitig eine gute Lebensschule. Eine berufliche Weiterentwicklung zum Beispiel als
Produktedesigner/in oder via Berufsmatur an einer Hochschule der Künste ist möglich. Seit eini-
ger Zeit wird auch eine Weiterbildung als «Handwerker in der Denkmalpflege» angeboten. Leider
bleiben die wenigsten ausgebildeten Steinbildhauer auf ihrem Beruf. «Wir benötigen allerdings
dringend Nachwuchs, sonst stirbt unser Beruf aus» sagt Strub. CR