Page 6 - Mittelland Woche West - KW 23 - 2024
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SEITE 6 DIENSTAG, 4. JUNI 2024
Antisemitismus und Rassismus – was machen die Schulen?
Anfang März dieses Jahres Holocaust Zeitzeugen
verübt ein 15-Jähriger einen sprechen zu Schulklassen
brutalen Angriff auf einen or- Ende Mai wird erneut ein Ho-
thodoxen Juden in Zürich. locaust Zeitzeuge zu 100 Schü-
Von verschiedenen Seiten lerinnen und Schülern einer 3.
wurde kurz nach dem Angriff Sek im Zürcherischen Säuli-
gefordert, man müsse in der amt sprechen. Zusätzlich wird
Bildung und den Schulen an- die Roll-Up Ausstellung der
setzen und die Jugendlichen «The Last Swiss Holocaust Sur-
besser über die Dimension vivors» im Schulhaus zu se-
des Zweiten Weltkriegs und hen sein. Aussagen wie die von
des Holocausts unterrichten. Ronja von 2023 zeigen, wie
wichtig die Begegnung mit Zeit-
Im Schulalltag fragen Jugend- zeugen heute ist.
liche oft bereits in der 1. Sek,
wann endlich der Zweite Welt- «Der Vortrag der Holocaust
krieg thematisiert werde. Am Zeitzeugin Agnes Hirschi war
Interesse fehlt es folglich nicht. sehr spannend, aber auch
Mit dem Lehrplan 21 wurden schockierend. Ich war beein-
jedoch die Geschichtslektio- druckt, wie sie alle ihre Erin-
nen nochmals gekürzt und der nerungen lebendig weitergeben
Zweite Weltkrieg wird oft erst Bilder: zVg konnte.»
Ende der 3. Sek behandelt. Je Erika Bigler ermöglicht den Jugendlichen mittels «Oral History» einen neuen Zugang zur Geschichte.
nach Interesse der Lehrper- Elternhaus trägt
son oder dem Zeitdruck des sowie Zeitzeugen, die vor dem kommen, als dies ein «trocke- gen zum Thema lanciert wer- Verantwortung mit
Schulstoffes geschieht dies eher Holocaust in die Schweiz ge- nes» Geschichtsbuch könnte. den, die auf grosses Interesse Das digitale Buch «Schweizer
oberflächlich oder etwas ver- flüchtet sind. Daher ist die Weiterbildung von stiessen: Jugend im Zweiten Weltkrieg»
tiefter. In der aktuellen poli- grosser Wichtigkeit. In Zusam- ist nicht nur ein Lehrmittel für
tischen Lage wäre eine The- Jugendliche sollen mittels «Oral menarbeit mit dem Geschichts- «Wir werden das digitale Buch den Schulunterricht. Es ist für
matisierung jedoch besonders History» einen neuen Zugang zu dozenten Andreas Stadelmann, ‹Schweizer Jugend im Zweiten jedermann kostenfrei zugäng-
wichtig. Lehrpersonen können Geschichte erhalten. Das digi- von der Pädagogischen Hoch- Weltkrieg› definitiv in den Ge- lich und kann auch von Eltern
einen entscheidenden Unter- tale Buch ist kostenfrei zugäng- schule Bern, entstanden drei schichtsunterricht einfliessen und Grosseltern forschend er-
schied machen, indem sie sich lich und kann über das Smart- themenbezogene Masterarbei- lassen. Wir überlegen uns auch kundet werden.
im Unterricht mit der Thematik phone, den Computer oder das ten von Studierenden. Nebst schon ein jahrgansübergreifen-
des Holocausts sowie mit Ras- iPad nach Interesse im eigenen der Thematik von «Oral His- des Projekt daraus zu machen.» Bildung und eine aktive Ausei-
sismus und Antisemitismus aus- Lerntempo erkundet werden. tory» wurden Unterrichtsma- nandersetzung mit der Thema-
einandersetzen. terialien verfasst, die wieder in «Die im digitalen Buch präsen- tik darf nicht ausschliesslich an
Die Zeitzeuginnen und Zeitzeu- die Unterrichtseinheiten des di- tierten Zeitzeugen Interviews die Schule delegiert werden. El-
Neue Unterrichtsideen gen im digitalen Buch zählen gitalen Buches integriert wer- können gezielt im Geschichts- tern tragen ebenfalls eine grosse
Früher befragten Schülerinnen zu verschiedenen Religionen, den konnten. An der Pädago- unterricht eingesetzt werden. Verantwortung. Bildung und
und Schüler im Geschichts- unter ihnen sind auch Jüdin- gischen Hochschule St. Gallen Es steht hochstehendes Be- Aufklärung über geschichtliche
unterricht ihre Grosseltern nen und Juden. In Zusammen- konnten Lehrerweiterbildun- gleitmaterial zur Verfügung!» Fakten ist heute nötiger denn
zum Erleben der Zeit während arbeit mit der «Gamaraal Foun- je, im Schulunterricht und im
des Zweiten Weltkriegs. Da dation» und der Stiftung «The Familienkreis.
mehr und mehr dieser Zeitzeu- Last Swiss Holocaust Survi- Erika Bigler,
ginnen und -zeugen verstarben, vors» konnten zusätzlich Zeit- Sekundarlehrerin und
kam die Frage auf, wie diese Ge- zeugen Videos von Geflüchteten Präsidentin des Vereins
schichten für kommende Gene- vor dem Holocaust ins digitale für zeitgemässes Lernen
rationen erlebbar gemacht wer- Buch integriert werden.
den könnten. In diesem Prozess www.erikabigler.ch
entstand das Projekt des digita- Relevanz in der Weiterbil-
len Buches. dung für Lehrpersonen
Das digitale Buch «Schweizer Digitales Buch
Der Zugang erfolgt über das Jugend im Zweiten Weltkrieg» «Schweizer Jugend
Internet: «Schweizer Jugend im wird im Geschichtsunterricht im Zweiten Weltkrieg»
Zweiten Weltkrieg». Es beinhal- auf den Sekundarstufen I und II
tet Videos von Zeitzeuginnen eingesetzt. Lehrpersonen schät-
und Zeitzeugen, die den Krieg zen das digitale Buch mit den
als Kinder und/oder Jugendli- Videos, weil sie Geschichten
che in allen vier Sprachregio- von realen Menschen erzählen
nen der Schweiz erlebt haben, und so den Jugendlichen näher- Das Projekt des digitalen Buches macht Geschichte erlebbar.
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