Page 9 - Langenthaler Zeitung - KW 44 - 2020
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DIENSTAG, 27. OKTOBER 2020 SEITE 9
Bärentatze
Franz Grüter
Oh ja – Kritik ist berechtigt
versprachen schliesslich, man werde
Nein, es geht nicht um die illegale Beset- Platz machen für den «Märit». Was sie
zung des Bundesplatzes durch Minder- ZUR PERSON: Thomas Fuchs kan- Steht jetzt plötzlich nicht taten. Eine ironische Peinlichkeit:
jährige und es geht auch nicht um den didiert für das Bürgerliche Bünd- die Gesinnung über Die angeblichen Klima-Retter verhindern,
unwürdigen Antrag der Sozialdemokra- nis (FDP, SVP) auf der Liste 1 am dem demokratischen dass lokale Produzenten ihre nachhaltig
ten der Stadt Bern (SP/JUSO), welche 29.11.2020 für den Stadtberner Ge- hergestellten Produkte direkt verkaufen
dem Tierparkverein Dählhölzli sage und meinderat. Der ehemalige National- Rechtsstaat? können. Und am Schluss hinterlassen die
schreibe 300'000 Franken jährlich strei- rat und Grossrat ist Präsident der Besetzer Berge von Abfall.
chen wollen. Diese beiden Themen wä- SVP Stadt Bern und Präsident der
ren Grund genug die Verantwortlichen Berner Samariter, Geschäftsführer Der Vorfall ist aber mehr als nur eine lä-
mit reichlich Kritik einzudecken. des Bundes der Steuerzahler und im Das gibt es eigentlich nur in der Schweiz. cherliche Episode. Es geht viel tiefer in
Militär Oberst. Er ist in Bern gebo- Auf dem Platz vor dem Bundeshaus hüp- das Verständnis von Demokratie und
Es geht um etwas viel Bedeutenderes, ren und aufgewachsen und Heraus- fen Kinder fröhlich durch Wasserfontä- Rechtsordnung. Man muss sich näm-
nicht nur für Stadt und Kanton Bern, geber der Zeitungen DIE IDEE und nen, die aus den Düsen im Steinboden lich langsam fragen, ob unser Rechts-
sondern für unser Land – die Schweiz. Bern-Aktuell. zischen. Und immer ganz früh am Diens- staat noch jeden gleichbehandelt. Die
Vergangene Woche äusserte sich Alt- tagmorgen verwandelt sich der Bundes- Marktfahrer brauchen eine Bewilligung,
Bundesrat Johann Schneider-Ammann Mehr erfahren Sie unter: platz in einen grossen Markt. Dann rich- sie müssen für ihren Stand zahlen und
(FDP) ungewohnt direkt und kritisch www.fuchs.tv ten die Bauern und Marktfahrer aus der werden quasi mit dem Massband kon-
zum Rahmenabkommen. Erfolgt sind Umgebung ihre Stände ein und verkau- trolliert. Auf der anderen Seite dürfen
dann auch erstaunlich deutlich ableh- fen ihre Produkte: Früchte, Gemüse, Blu- sich die linksgrünen Aktivisten austoben,
nende Kommentare der Sozialpartner, men, Käse und Fleisch. ohne dass sie eine Busse bekommen
namentlich von Gewerkschaften und Die Problematik geht weiter: Die Er- oder sonst eine Konsequenz zu fürch-
Gewerbeverband und sogar CVP-Prä- weiterung der Guillotineklausel im In welchem Land sonst dürfen Kinder ten haben. Wer sich illegal verhält, wird
sident Gerhard Pfister stimmt in den neuen Vertragssystem, das ohne- draussen vor dem höchsten Parlament belohnt, solange die (linksgrüne) Gesin-
Chor ein. hin schon neue Sanktionsmöglichkei- spielen? Und wo sonst laufen Politike- nung stimmt. Und die Marktfahrer sind
ten – in der Form von sogenannten rinnen und Politiker frühmorgens durch die dummen Geprellten. Ist das wirklich
Was ich und die SVP seit langem über- Ausgleichsmassnahmen (sprich Stra- einen Bauernmarkt, um ins Regierungs- die Botschaft, die wir aussenden wollen?
all erwähnen wird nun immer breiteren fen!) – vorsieht, ist ungerechtfertigt. gebäude zu kommen? Das gibt es ei-
Kreisen bewusst. Das EU-Rahmenab- Was das Komitee EU-No und die SVP gentlich nur in der Schweiz. Aber warum Es geht auch um das Verständnis von
kommen heisst für die Schweiz eine schon lange dargelegt haben, kommt schreibe ich «eigentlich»? Es hat sich et- Demokratie und Meinungsvielfalt. Wir
automatische Rechtsübernahme, die nun also mit Nachdruck an die breite was geändert – und zwar nicht erst durch haben in dieser Session das CO2-Ge-
Unterstellung unter das EU-Gericht Öffentlichkeit. die illegale Besetzung des Bundesplat- setz beraten. Natürlich haben die Klima-
und deren Straf- und Sanktionsmass- zes durch sogenannte «Klima-Aktivis- Aktivisten viel radikalere Forderungen.
nahmen. Fakt bleibt: Es kann nicht sein, dass ten». Warum auch nicht. Aber es geht um die
ein einseitig europäisches Gericht Art und Weise, wie politische Entschei-
Nur wenige Tage nach dem alt bundes- über das Verhältnis zwischen der EU Es hat schon früher begonnen – und dungen zustande kommen: nämlich de-
rätlichen Appell gegen das Rahmen- und einem Nichtmitglied entscheidet. es hatte ebenfalls mit den angebli- mokratisch. Und dass man demokrati-
abkommen wurde ein Brief der Sozi- Vergessen wir nicht, die EU hat logi- chen Klima-Rettern zu tun. Bis vor kur- sche Prozesse respektiert. Ich habe aber
alpartner mit einer Stellungnahme zum scherweise andere Interessen als un- zem standen keine uniformierten Sicher- den Eindruck, dass die Klimabewegung
vorgeschlagenen institutionellen Ab- ser Land. Die EU strebt seit langen an, heitskräfte vor dem Eingang zum Bun- längst von linksradikalen Kräften über-
kommen an den Bundesrat publik. Die die Schweiz faktisch in die EU zu in- deshaus. Das war mehr als symbolisch. nommen wurde. Sie geben vor, die Welt
Sozialpartner – zusammengesetzt aus tegrieren, denn unser Land ist eine fi- Die Botschaft dahinter lautete: In der zu retten, wollen aber unsere demokra-
Travail.Suisse, dem Gewerkschaftsver- nanziell potente Braut, die ihre Rech- Schweiz müssen nicht Polizeikräfte das tische Wirtschafts- und Rechtsordnung
bund, dem Gewerbe- und dem Arbeit- nungen pünktlich begleicht. Die EU demokratisch gewählte Parlament be- abschaffen. Das zeigt auch ihr Auftreten:
geberverband – kritisieren gemeinsam, wird sich daher auch kaum kompro- wachen. Dann aber ketteten sich Mit- Es wird demonstriert, besetzt, gedroht
dass das vorgeschlagene Rahmenab- misswillig zeigen und wird vielmehr glieder einer radikalen Klima-Bewegung und Ultimaten gestellt.
kommen «unseren Lohnschutz unter- auf ein Rahmenabkommen drängen, an die Eingangstüren und beschmier-
höhlt» und damit die Schweizer Löhne welches faktisch einem EU-Beitritt ten das Bundeshaus mit blutroter Farbe. Damit sind wir bei den Medien und ih-
gefährdet. Aufgrund der im Abkommen gleichkommt und unser Land einglie- Nun müssen Polizisten vor dem Gebäude rer Rolle angelangt. Das Schweizer Fern-
fehlenden Schranken gegen das Uni- dert, institutionell und inhaltlich. postiert werden. sehen hat den Bundesplatz-Besetzern
onsbürgerrecht verlangen die Sozial- gleich die Arena freigeräumt. Man merke
partner ausserdem Garantien von der Die Frage ist nun, ob Bundesrat und Das ist schon traurig genug, aber leider sich auch hier: Krawall und illegale Aktio-
EU, dass EU-Bürger nicht an Schwei- Bundesparlament den Mut haben, der nicht das Ende. In der letzten Sessions- nen werden mit Fernseh-Sendungen be-
zer Sozialleistungen anzapfen können, EU die Stirn zu bieten und nötigen- woche besetzten «Klima-Aktivsten» in lohnt… natürlich gilt auch bei SRF, dass
ohne jemals in der Schweiz gearbeitet falls das Rahmenabkommen einsei- der Nacht zum Montag den Bundesplatz dafür die «richtige» (linksgrüne) Gesin-
zu haben. Als dritter Punkt wird nicht tig für tot zu erklären und damit die und errichteten ein illegales Zeltlager, nung vorliegen muss. Als die Klima-Ak-
akzeptiert, «dass die Schweiz neue EU- direkte Demokratie, die Souveränität obwohl politische Veranstaltungen wäh- tivsten erfuhren, dass SVP-Nationalrat
Gesetze fast automatisch übernehmen und Schweizer Eigenheiten wie Lohn- rend dieser Zeit verboten sind. Offenbar Roger Köppel auf der Gegenseite einge-
muss (dynamische Rechtsübernahme) schutz und Tierschutz zu verteidigen. wusste die linksgrüne Stadtregierung von laden wurde, haben sie ihre Teilnahme
und dass in Streitfällen der europäische der Aktion, das zeigte nur schon die Tat- kurzerhand abgesagt. Er sei ein «Klima-
Gerichtshof als letzte Instanz entschei- Ich habe die Hoffnung jedenfalls noch sache, dass das Klima-Camp mit Strom Leugner» und «hetze» gegen die Klima-
det.» Diese Kritik zeigt den Kern des nicht aufgegeben, trotz zahlreicher und Wasser versorgt wurde. Bewegung. Man will also keinen Wider-
Problems auf: Es geht um nichts ande- (vor allem heimlicher) EU-Fans in Ver- spruch. Wer eine andere Meinung vertritt,
res als unsere Selbstbestimmung und waltung und Parlament. Nicht um- Klima-Retter hinterlassen Abfallberge ist ein «Hetzer» und «Leugner». Antide-
Demokratie. sonst habe ich schon vor vielen Jahren Wir von der SVP-Fraktion verlangten, mokratische Ausgrenzung statt Debatte.
meine Homepage in weiser Vorahnung dass die Stadt die Rechtsordnung wie-
Das Schweizer Stimmvolk hat nun unter dem Namen www.nein.eu reser- derherstellt und den Platz räumt. Nicht So wie es ausschaut, müssen wir die De-
mehrmals an der Urne bestätigt, dass viert. Der gesunde Menschenverstand zuletzt auch für die Marktleute am Diens- mokratie vor den selbsternannten Klima-
es an den bilateralen Verträgen fest- dürfte nämlich am Schluss siegen. tagmorgen. Die linksgrüne Stadtregie- Rettern retten.
halten will. Genau dieser Bilateralismus rung beschwichtigte und sagte, man ver-
ginge aber nun fundamental verloren. handle mit den Klima-Aktivisten. Diese