Page 3 - Berner Nachrichten Zentrum Ost - KW 7 - 2022
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DIENSTAG, 15. FEBRUAR 2022                                                                                                                                   SEITE 3






                                                   FORTSETZUNG

          Dieser Umstand wird mit der ge-
          planten Velostation in der Welle
          7 jedoch nicht anders sein,                                                                           Mit spitzer Feder …
          denn auch dort wird es keine di-
          rekte Anbindung an den Bahn-
          hof geben.

          Sie argumentieren dieses Pro-                                                                                        Direkter Draht
          jekt sei eine versteckte Rendite-
          Garantie für Grosskonzerne.                                                                                          nach oben
          Erklären Sie das konkret!
          Die Welle 7 befindet sich im Be-
          sitz der PostFinance. Die La-
          denfläche in welcher dereinst
          die Velostation entstehen soll,                                                                       Ich bete schon lange – seit  abgeben kann und sie etwas
          wird jedoch von der Migros Aare                                                                       ich ein Kind bin. Ich fand das  Kreatives  daraus  machen,
          gemietet. Das heisst die Stadt                                                                        Beten immer eine gute Sa-      mich jederzeit begleiten, be-
          Bern  wäre  lediglich  Untermie-                                                                      che, etwas Tröstliches, ein  schützen und mich nicht al-
          terin einer Ladenfläche und                                                                           Ritual, das Zuversicht und  leine lassen, was anderen und
          würde somit direkt und indi-                                                                          Hoffnung gibt, ist die Situa-  mir hilft.
          rekt hohe Mietkosten bezahlen,                                                                        tion noch so ausweglos. Be-
          in welchen logischerweise ent-                                                               Bild: zVg  ten beruhig und gibt Klarheit  Im Gebet finden wir zu unse-
          sprechende Renditen enthalten  Janosch Weyermann: «Es kann also nicht sein, dass alle sparen müssen und   über eine Situation. Das Ge-  rem wahren Ich. Dies stellte
          sind.                            man gleichzeitig aber derart viel Geld für die Zumietung einer Velostation aus-  spräch mit den himmlischen  schon der schottische Theo-
                                           gibt.»                                                               Mächten gibt mir immer un-     loge P.T.Fortsyth fest. Und er
          Sie  haben  Einblick  wie  es  um                                                                     zählige wertvolle Inputs, es  mag Recht haben, denn egal
          das Budget der Stadt Bern  Die Stadt gibt selbst an, an einer  ja, es ist natürlich richtig, dass     inspiriert mich auf den ver-   wie wir Gott definieren – beim
          steht. Wo wird gespart und wo  vertieften Studie betreffend an-   wenn sich die Problematik wei-      schiedensten Ebenen, es ent-   Beten stehen wir einer Macht
          Geld investiert? Können Sie uns  derer Veloparkierungsmöglich-    ter verschärfen sollte, auch wei-   schleunigt  und strukturiert.  gegenüber, die grösser ist,
          einen kleinen Überblick geben  keiten rund um den Bahnhof  tere Investitionen in diesem Be-           Beten ist auch ein Ritual des  ewiglich, allwissend. Es ist
          und uns aufzeigen, ob sich die  zu arbeiten. Diese Studie gilt  reich anstehen würden.                Dankes und der Demut. Diese  die Wahrhaftigkeit vor etwas
          Stadt diese hohen Ausgaben  es abzuwarten, bevor unnö-                                                grosse Dankbarkeit gegen-      Mächtigerem, dieses Hinge-
          leisten kann?                    tig Steuergelder verschwendet  Wieso wehrt sich auf bürger-          über einer grösseren, himmli-  ben unserer Seelen – das un-
          Der rot-grüne Gemeinderat hat  werden. Zudem müsste geziel-       licher Seite nur die SVP gegen      schen für uns nicht fassbaren  sere Worte erst zu einem Ge-
          es sich im Rahmen der Budget-    ter gegen die Vielzahl an Velo-  diese  Verschwendung  von           Macht, macht mich jeweils  bet erhebt. Und genau darin
          debatte im vergangenen Jahr re-  Leichen – verwaiste Velos, die  Steuergeldern?                       immer sehr glücklich. Dabei  liegt die eigentliche Kraft des
          lativ einfach gemacht und sich  über einen langen Zeitraum  Weil die SVP die einzige ver-             ist für mich beim Beten we-    Betens: Wenn wir aus gan-
          dafür entschieden mehr ein-      an der gleichen Stelle herum-    bleibende bürgerliche Kraft ist,    der die Dauer entscheidend,  zem Herzen sprechen, wenn
          zunehmen, anstatt endlich die  stehen – rund  um den Bahn-        welche sich gegen die rot-grüne     noch ist es der Ort. Für mich  wir fühlen und in jedem unse-
          Ausgaben  herunterzufahren.  hof vorgegangen werden. Dies  Übermacht zur Wehr setzt, ihr              als Christin ist es vielmehr  rer Worte sein können – dann
          Es wird also kaum gespart, je-   würde die Problematik bereits  genau auf die Finger schaut und       wichtig, dass ich bete und  macht es fernab aller Formu-
          doch werden vielerorts die Ge-   massiv entschärfen.              eben auch mal die Notbremse         so mit den göttlichen Mäch-    lierungen und aller Wünsche,
          bühren erhöht. So zum Beispiel                                    zieht.                              ten im Gespräch bleibe – ge-   die wir vielleicht hegen, un-
          die Hundetaxe, die Anwohner-     Gelöst ist gemäss der Stadt                                          rade jetzt: über das, was mir  sere Ängste kleiner und alles,
          parkkarten, die Pachtzinse von  Bern das Problem mit diesem  Sie haben bis am 3. April Zeit,          mit Blick auf das (neue) Virus  was gut ist grösser. Im Ge-
          Familiengärten oder die Par-     Projekt aber nicht. Langfris-    die  Unterschriften  von  1500      Angst macht; über das, was  bet finden wir eine Sprache,
          kiergebühren. Mit der Feuer-     tig geht die Stadt von einem  Stimmberechtigen zusammen-             ich nicht verstehe; über das,  die es uns erlaubt, die Lekti-
          wehrersatzgabe  plant  der  Ge-  Bedarf  von  rund  10'000  Velo-  zubekommen. Schaffen Sie           was mich zweifeln lässt. Ja,  onen  aus  unserem  Erleben,
          meinderat sogar  eine  neue  Abstellplätzen im Raum Bahn-         das?                                die Bedrohung, die mir mit  unseren Erfahrungen im Le-
          Steuer einzuführen. Gleichzei-   hof aus. Also dann müsste man  Ich bin überzeugt, dass wir die       Corona so auf den Leib rückt,  ben umzusetzen.  Im Gebet
          tig aber 2,5 Millionen für Velo-  mit einer fast leeren Stadtkasse  benötigte Anzahl Unterschrif-     ist eine Anfrage an den Glau-  überschreiten wir die Gren-
          abstellplätze auf Zeit auszuge-  nochmals dafür investieren?      ten zusammenbekommen und            ben. Ja, ich erschrecke, wenn  zen unseres Ichs, denn wir
          ben, erachte ich deshalb als  Ob diese Berechnungen tat-          somit die Stadtberner Stimm-        ich sehe, wie elend Menschen  überschreiten gleichwohl die
          schlicht verantwortungslos.      sächlich stimmen, wage ich zu  bevölkerung das letzte Wort           mit einer Covid-19-Erkran-     Grenzen dessen, was wir be-
                                           bezweifeln. Denn der Anteil  dazu  haben  wird.  Wer  unter-         kung sterben. Doch nicht erst  greifen. Es ist eben diese An-
          Was wäre Ihre Lösung be-         am Veloverkehr stagniert näm-    schreiben möchte, findet den        seit dieser Pandemie frage  rufung, dieses Anerkennen
          treffend neue Veloabstell-       lich seit einiger Zeit wieder und  Unterschriftenbogen auf den       ich mich nach dem Sinn des  einer höheren Macht, die un-
          plätze, respektive gibt es da  dies trotz einer teuren Werbe-     Seiten 11 und 12 in dieser Aus-     Leids in der Welt.             sere Herzen öffnet und Raum
          eine preiswertere Variante als  kampagne der Stadt, welche die  gabe der Berner Nachrichten                                          schafft für das Vertrauen in et-
          diese millionenschwere Luxus-    Leute eigentlich vermehrt zum  Zentrum.                              Ich frage das nicht nur mich,  was, das uns trägt und hält;
          lösung?                          Velofahren animieren soll. Aber       Interview: Corinne Remund      sondern ich frage das auch  etwas, das weder Zeit noch
                                                                                                                die göttlichen Mächte. So wie  Worte kennt und unser Leben
                                                                                                                ich meinen Dank und mein  in einen  grösseren  Zusam-
                 Ringvorlesung an der Uni Bern                                                                  Lob im Gebet vor sie bringe,  menhang bettet.
                                                                                                                komme ich mit meinen Zwei-
                                                                                                                feln, meiner  Wut,  meiner  Am Ende darf ein Gebet alles
          In einer interdisziplinären      sen und welche Rolle die Wachs-  Wachstumsgesellschaft vom           Angst und meiner Sorge zu  sein: Ein Lied, ein Tanz, ein
          Ringvorlesung an der Univer-     tumsfrage dabei spielt. An der  19. Jahrhundert bis zur Gegen-       ihnen. Nein, ich bekomme  gesprochener Satz. Ein Lä-
          sität Bern geben Wissenschaft-   Universität Bern wurde im Jahr  wart». Expertinnen und Exper-        von ihnen nicht die allumfas-  cheln, ein kurzes innehalte,
          lerinnen und Wissenschaftler     2001 der Nationale Forschungs-   ten verschiedener Fachrichtun-      sende Antwort auf meine Fra-   ein Gedanke.
          aus verschiedenen Fachrich-      schwerpunkt Nord-Süd etab-       gen der Universität Bern, aber      gen nach dem Warum. Aber
          tungen und Institutionen einen   liert, aus dem 2009 das Centre  auch Referentinnen und Re-           ich erlebe im Beten, dass ich  In diesem Sinne wünsche ich
          Überblick über zentrale Fra-     for  Development  and  Environ-  ferenten  von  nationalen  und      in den göttlichen Mächten ein  Ihnen liebe Leserinnen und
          gen des Wirtschaftswachstums     ment (CDE) hervorgegangen ist.  internationalen Universitäten        Gegenüber habe. Ich erinnere  Leser auch das beglückende
          und der Wachstumskritik.         Dieses hat sich seither als Kom-  und Fachhochschulen beleuch-       mich daran, dass er in Jesus  Erlebnis des Betens. Es ist
                                           petenzzentrum für Nachhaltige  ten die Wachstumsdebatte vor          Christus selbst Mensch ge-     immer wieder faszinierend –
          2022 jähren sich Ereignisse,  Entwicklung etabliert.              dem Hintergrund der Nachhalti-      worden ist. Er kennt unsere  eine Reise zu sich selbst und
          welche die Debatten um die Zu-   Eine interdisziplinäre Ringvor-  gen Entwicklung und gehen der       Menschen-Fragen und un-        ein Geschenk des Glaubens
          kunftsgestaltung unserer Ge-     lesung, gemeinsam konzipiert  Frage nach, weshalb das Narra-         sere Menschen-Not. Im Beten  und Lebens.
          sellschaften und um Fragen des  vom Centre for Development  tiv, Wachstum sei unverzicht-             spüre ich, dass die göttlichen
          Wirtschaftswachstums und seine  and Environment (CDE) sowie  bar, selbst in reichen Ländern           Mächte mich stärken und mir
          Grenzen wesentlich befeuert ha-  der Abteilung für Wirtschafts-,  wie der Schweiz weiterhin so        Geborgenheit und Zuversicht  Herzlichst,
          ben. Hochschulen erwiesen sich  Sozial- und Umweltgeschichte  mächtig ist.                            geben. Dann bekomme ich  Ihre Corinne Remund
          immer wieder als Treiber der De-  (WSU) des Historischen Insti-   Die öffentlich zugänglichen Ring-   das Herz, den Kopf und die  Verlagsredaktorin
          batten, wie sich die sozioökono-  tuts widmet sich im kommen-     vorlesung finden vom 28. Februar    Hände frei, um im Vertrauen
          mische Entwicklung und der Er-   den  Frühjahrssemester  dem  bis am 30. Mai jeweils montags          darauf, dass ich meine Sor-
          halt der natürlichen Ressourcen  Thema «Wirtschaftswachstum,  von 17.15 bis 18.45 Uhr statt.          gen den göttlichen Mächten
          miteinander vereinbaren las-     Wachstumskritik und (Post)                                    pd
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